Die Jahrestagung 2020 des Bahá’í-Frauen-Forums fand am 28.11.2020 per Zoom statt und war mit annähernd 80 Teilnehmenden gut besucht. Es begann mit einem Vortrag von Ferah Aksoy-Burkert zum Thema: „Psychische Herausforderungen und psychische Stärken von Frauen in dieser besonderen Zeit“. Frau Aksoy-Burkert ist Dipl. Psychologin und psychologische Psychotherapeutin, Managementtrainerin und Coach, mit den Schwerpunkten Arbeits- und Organisationspsychologie mit eigener Praxis. Zunächst stellte sie fest, dass diese Krise zwar jede/n betrifft, aber vor allem Frauen besonders darunter leiden. Die Gründe dafür sind u.a., dass der Frauenanteil in den systemrelevanten Berufsgruppen bei knapp 75 Prozent liegt, sie überproportional finanzielle Nachteile durch Minijobs erfahren (kein Kurzarbeitergeld) und es Anzeichen für vermehrte Gewalt im familiären Kontext gibt. Auch davon sind Frauen deutlich häufiger betroffen. In der Bertelsmann-Studie 2020 wurde die Corona-Krise und Strategien der Bewältigung untersucht. Dabei wurden die Typen: Krisenmanagerin, kreative Vergemeinschafter, Optimisten, Schutzsuchende, tatkräftige Aktivistin und ihre Bewältigungsstrategien vorgestellt. Es zeigt sich, dass Resilienz, d.h. die Widerstandskraft von Individuen angesichts belastender Lebensereignisse[1] ein probates Mittel zur Überwindung von Lebenskrisen ist. Resilienz spielt eine entscheidende Rolle bei den „vier Qualitäten des Lebens“ [2] zur Bewältigung von Herausforderungen, wie: Fantasie/ Zukunft/ Sinn, Körper, Kontakte, Leistung. Dies wird von den Schutzfaktoren wie emotionale Beziehung zu mindestens einer Person, dem aktiven Problembewältigungsstil, der sozialen Unterstützung, der Selbstwirksamkeit, des gesunden Selbstvertrauens, vorhandener Gesundheitsressourcen und Spiritualität bestimmt.
Spielt das Geschlecht dabei eine Rolle? Was sind die Stärken der Frau? Sind Frauen resilienter? In der Studie von Kauai [3] zum Thema Resilienz und Geschlecht schienen Mädchen unter den resilienten Kindern eindeutig stärker vertreten zu sein als Jungen: Sie zeigten seltener Verhaltensauffälligkeiten und hatten ein positiveres Bild von sich als Jungen. Außerdem zeigte sich, dass Mädchen im Kindesalter mehr soziale Unterstützung mobilisieren können und über bessere personale Problemlösefertigkeiten, die als Zeichen von Resilienz gewertet werden, verfügen, als gleichaltrige Jungen. Resiliente männliche Jugendliche der Kauai –Studie zeigten geschlechtsuntypische Ausprägungen von Fürsorge, emotionaler und sozialer Orientierung.
Und auch andere Studien weisen auf die Stärken von Frauen:
- Empathiefähigkeit und tragfähige Beziehungen [4] . Frauen wenden sich in Krisenzeiten mehr Freunden und Nachbarn zu.
- Wer sich gesund fühlt und über ein gesundes Urvertrauen beziehungsweise Gottvertrauen verfügt, schätzt das Ansteckungsrisiko für sich als vernachlässigbar ein.[5] Die Bedeutung von Glauben als Schutzfaktor in schwierigen Zeiten ist bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern.
- Im Erwachsenenalter zeigt sich besseres Erholen von Krankheiten als bei Männern [6]
Die Bahá´í-Schriften verweisen ebenfalls auf die weiblichen Werte: „Die Frau hat mehr Zivilcourage als der Mann; sie hat auch besondere Gaben, die sie in Gefahr und Krisenzeiten befähigen, den Überblick zu bewahren…im Großen und Ganzen haben die Frauen heute einen stärkeren Sinn für Religion als die Männer. Die Intuition der Frau ist treffsicherer, sie ist aufnahmefähiger und ihre Intelligenz erfasst die Dinge rascher…In dieser wundersamen Sendung…, haben Frauen männliche Eigenschaften ….“
„Zu den Wundern, die diese heilige Sendung kennzeichnen, gehört dieses, dass die Frauen größere Kühnheit als die Männer bewiesen, nachdem sie den Reihen des Glaubens beigetreten waren. Ein so großes und herrliches Zeugnis bezieht sich besonders auf den Westen…“ [7]
Frau Aksoy-Burkert zeigte zum Ende ihrer Ausführungen viele Beispiele von herausragenden starken Frauen in der Bahá‘í -Geschichte, angefangen von Táhirih, der großen Dichterin und Vorkämpferin bis hin zu Mona, einer jungen tapferen Gläubigen, die im Iran ihr Leben für den Glauben gaben.
Im Anschluss wurden die Teilnehmer/innen in Workshops aufgeteilt, um folgende Fragen in Kleingruppen zu besprechen:
1.Was macht die Krise persönlich mit mir? Welche Strategien habe ich, mit der Krise umzugehen? Wie gehen Menschen in meinem Umfeld mit der Krise um?
2.Laut einer im Vortrag erwähnten Studie hat während der Pandemie eine Umgewichtung von Werten stattgefunden. Was denken Sie, welche Werte sich gerade verändern? Welche geistigen Tugenden sind in der Zeit der Krise essentiell, welche gilt es gerade in der Zeit der Krise zu entwickeln?
3.Wie können Frauen im BFF die Zeit der Krise nutzen, um in gesellschaftlichen Diskurs zu treten? Wie können Frauen im BFF sich vernetzen, um kollektiv der Krise zu begegnen? Welche Erfahrung gibt es in diesem Bereich?
Nach einer kurzen Pause fand im 2. Teil der Jahrestagung die Mitgliederversammlung statt. Zunächst gedachte der Vorstand unseres langjährigen Mitglieds Elisabeth Mühlschlegel (14. März 1932 – 28. September 2020).
Danach bedankte sich Dr. Ingeborg Franken-Boeninger bei Gisa Meier-Floeth, die sich nicht mehr zur Wahl gestellt hatte, für ihren unermüdlichen Einsatz als Schriftführerin seit der Gründung des BFF vor 24 Jahren. In einer Präsentation wurden einige Stationen ihrer Jahrzehnte langen Tätigkeit gezeigt und die Aufbauarbeit zu Beginn und ihre kontinuierliche Richtungsgebung für den Verein gewürdigt. Frau Meier-Floeth hinterlässt eine große Lücke, ihre kenntnisreichen Beiträge werden dem Verein fehlen. Spontan beschlossen die Mitglieder, Frau Meier-Floeth die Ehrenmitgliedschaft zu verleihen.
Die scheidende Schriftführerin Gisa Meier-Floeth berichtete nun über die Vereinsaktivitäten 2019 und 2020. Die Aufgaben des BFF konnten dieses Jahr Corona-bedingt nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Auch werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, die im Diskurs aktiv werden und die Bahá‘í-Schriften und -Konzepte auf aktuelle Themen und Fragestellungen anwenden. Das BFF legt derzeit den Fokus auf die Schwerpunktthemen:
- Kultur und Kompetenz in der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen & Mädchen
- Kultur ohne Vorurteile fördern
Der Rückblick begann mit der BFF – Jahrestagung am 30.11.2019 im Bahá‘í-Zentrum Essen zum Thema: „Ins Gespräch kommen“-Auf den Schultern von Tahirih – Gesellschaft neu gestalten.
Für den nationalen Diskurs nahmen Vertreterinnen des BFF
- am Vor- und Nachbereitungstreffen zur 63. und 64. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission (CSW)
- an Dialogforen auf Einladung von UN WOMEN Nationales Komitee Deutschland
- und Veranstaltungen des Deutschen Frauenrats teil.
Die Entsendung einer BFF-Vertreterin nach New York zur 64. CSW und weitere Beteiligung am Nationalen Diskurs hierzu vor und nach „Peking +25“ scheiterte an Corona
Teilgenommen wurde an Aktivitäten, Veranstaltungen und Foren, z.B. bei der Veranstaltung des BMFSFJ zum Thema:
- 40 Jahre Frauenrechtskonvention (CEDAW), 25 Jahre Pekinger Erklärung & Aktionsplattform
- Ohne Frauen kein Frieden – Online-Event Unsicherheitsratsresolution 1325 „Frauen, Frieden Und Sicherheit“
- „No Women – No Peace“, Heinrich-Böll-Stiftung lud ein zur Feier des 20. Jahrestag der UNSCR 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit
Auf örtlicher Ebene fanden vielfältige Aktivitäten statt, dabei Mit- bzw. Zusammenarbeit:
- in interreligiösen Frauenprojekten
- bei Migrant_innen-Vereinen
- in Arbeitsgruppen kommunaler Frauenbüros
- in Vereinen gegen sexualisierte Gewalt
- bei Aktionskreisen gegen Gewalt gegen Frauen
- mit Städtegruppen wie von TdF oder AI, Gleichstellungsbeauftragten, Kirchlichen Frauengruppen / – verbänden und sonstigen Gruppen / engagierte Menschen
Außerdem eigene Veranstaltungen zu Táhirih, Genderthemen, Prävention von Gewalt, so z.B.:
BFF In Berlin: 2019 „Frauen stiften Frieden“: mehrjährige „Gesprächsreihe in loser Reihenfolge in Zusammenarbeit von BFF Berlin mit dem Frauennetzwerk für Frieden (FNF) im „Frauencafé im Alex-Treff“ in Berlin – in diesem Rahmen die Feier zum internationalen Frauentag am 8. März. Und 2020: Vesper „Kämpfen wir seit Jahrzehnten die gleichen Kämpfe? Change & Pressure für Frauen in Deutschland im 21. Jahrhundert“ im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Berlin auf Einladung durch die Humanistische Union (et al.). Zudem nehmen Mitglieder der Ortsgruppe BFF Berlin an Veranstaltungen zum Nationalen Diskurs teil.
BFF – Regionalgruppe Bonn: „Bedeutende Frauen in der Frühzeit der Bahá’í-Religion,“ im Februar 2019 mit Dr. Farideh Sobhani-Matejko, Musik: Dr. Vahid Matejko im Rahmen des ifz-Frauenfrühstücks, im Juli 2019 „Integration als Herausforderung und Chance sowie als Bereicherung“ mit Dr. Helia-Verena Daubach. Außerdem wurde das BFF bei folgenden Veranstaltungen vertreten:
- Internationales Frauenzentrum – ifz
- Frauennetzwerk für Frieden – FNF
- UN Women Nationales Komitee Deutschland
BFF Lübeck:
- Mitarbeit im Rat des Forum für Migranten und Migrantinnen
- Teilnahme am außerparlamentarischen Gleichstellungsausschuss Lübeck mit Forderungen an die Parteien der Bürgerschaft
- Mitgliedschaft im Haus der Kulturen
- Mitgliedschaft im Frauenkommunikationszentrum Aranat e.V. mit Tara-Migrationsberatung
BFF Freiburg:
- Internationaler Frauentag 8. März 2019 & 2020 und weitere Aktionstage: Info-Stand auf dem Rathausplatz
- „Táhirih – persische Dichterin des 19. Jahrhunderts, Wegbereiterin moderner Frauenrechte“ am 12. März 2019 im Haus der Begegnung in Emmendingen und am 14. März 2019 im Bahá’í-Zentrum Freiburg
- „Stärkung der Frauen – ein grundlegendes Anliegen zum Nutzen der gesamten menschlichen Gemeinschaft“ am 20. März 2020 im Bahá‘í-Zentrum Freiburg
BFF Hamburg:
Mitarbeit im Interreligiösen Frauennetzwerk mit „Begegnungstagen“ 28.9.2019 und 8.11.2020 (Zoom-Veranstaltung)
BFF Hannover:
Veranstaltungsreihe in Hannover-Haus der Religionen: 2019 „Frieden in unserer Hand“ und
2020: „Halt und Hilfe der Religionen in schweren Zeiten“ – Frauen berichten im Tibet-Zentrum
BFF Wiesbaden:
Öffentliche Veranstaltung: „Táhirih-Poesie und Frauenrechte“ im Mai 2019, die Veranstaltung 2020 „Gleichberechtigung – die Grundlage für Frieden und Wohlergehen“ wurde wegen Corona abgesagt.
In Köln war das BFF beim „interreligiösen Frauenfrühstück“ am 12.10.19 auf dem Podium vertreten.
Im Cluster Unterfranken nehmen BFF Mitglieder jährlich am Tag der Vereinten Nationen zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen teil, bei der Terre des Femmeszu ihrer Fahnenaktion „frei leben – ohne Gewalt“ aufruft.
BFF im ländlichen Niedersachsen:
Internationales Frauenfest am 8.3.2019- mitgefeiert, Kontakte ausgebaut, Gespräche
Vorstandsarbeit bei BASTA-Frauen- und Mädchenberatung-Fachstelle sexualisierte Gewalt
Bildungsprojekte: Banani International Secondary School für Mädchen – Sambia, Stipendium für eine Schülerin
Barli Development Institute for Rural Women in Indore- Indien
Nach diesem Bericht wurde der alte Vorstand entlastet und das Wahlergebnis bekanntgegeben. Die Konstituierung erfolgte zeitnah. Der neugewählte Vorstand setzt sich wie folgt zusammen:Vorstandsvorsitzende: Dr. Ingeborg Franken-Boeninger
Stellvertretende Vorsitzende: Heidi Mühlschlegel
Schatzmeisterin: Claudia Mohadjeri
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit: Ferah Aksoy-Burkert
Schriftführerin: Inge Behjat
Die Tagung wurde mit Gebeten eröffnet und mit Gebeten beendet. Es gab eine Reihe von positiven Rückmeldungen, auch verbunden mit dem Wunsch, das Vortragsthema ausführlicher zu beleuchten und den Diskurs weiterzuführen.
[1] (Bengel Lyssenko, 2012)
[2] Die vier Qualitäten des Lebens (Peseschkian) bei der Bewältigung von Herausforderungen (Balance-Modell)
[3] Kauai Studie zum Thema Resilienz und Geschlecht
[4] IGEMO Resilienzstudie, 2020
[5] Bertelsmann-Studie 2020
[6] Richter-Kornweitz 2011
[7] Zitate von ´Abdu’l-Bah