Liebe Freundinnen und Freunde,
der Mai-Newsletter dreht sich um ein einziges Thema, das uns in den letzten Wochen beschäftigt hat und auch im Juni noch im Fokus unseres Handelns stehen wird.:
Vertiefung in die Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 19.03.25

Am Dienstag, den 20.05.25 ab 19.30 Uhr nahmen über 30 Personen an einer Zoom-Veranstaltung teil, um sich vertieft mit der oben genannten Botschaft auseinanderzusetzen. Diese bietet insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Frau in der Familie eine wertvolle Orientierung. Die UHG-Botschaft wurde mithilfe einer PowerPoint-Präsentation studiert.
Zu Beginn wurden zentrale Passagen aus den ersten vier Kapiteln hervorgehoben – etwa aus Kapitel zwei die Aussage, dass „mit dem Voranschreiten der Gesellschaft die Regelungen und Definitionen, die in einem früheren Zeitalter für die Familie vielleicht von Vorteil waren, an ihre Grenzen stießen und sich nicht mehr für die nächste Stufe der menschlichen Entwicklung eigneten“. Diese Passage wurde dahingehend interpretiert, dass es um die Überwindung traditioneller, patriarchaler Strukturen geht, die unter der neuen Prämisse, nach welcher Frauen gleichberechtigt in allen gesellschaftlichen Belangen mitwirken sollen, als hinderlich erkannt wurden. Wir verstanden dies als einen kontinuierlichen Prozess im Sinne der Aufforderung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit: „Eine Herausforderung für die Bahá’í-Gemeinden in aller Welt besteht also darin, die gegenwärtigen Gepflogenheiten in ihren Gesellschaften zu untersuchen, sie im Lichte der Lehren abzuwägen, alle unerwünschten Tendenzen auszumerzen und zu lernen, neue Muster des Familienlebens zu etablieren, die den Bedürfnissen eines neuen Zeitalters entsprechen.“ Der letzte Satz weist dabei auf notwendige Anpassungen hin und weniger auf ein Festhalten am Status Quo. Welcher Status Quo das ist, wurde anschließend untersucht. So werden in Kapitel 3 Kräfte angesprochen, die zur Untergrabung der Familie führen obwohl „verschiedene Gesellschaften in verschiedenen Teilen der Welt die Bedeutung starker Familien anerkennen“. Erwähnt wurde unter anderem die hohe Scheidungsrate in Deutschland, die zu Aufspaltungen von Familien und Traumata führen können – auch innerhalb Bahá’í-Ehen. Die Ursachen für das Scheitern von Partnerschaften sind vielfältig und eng mit gesellschaftlichen Strömungen verknüpft. Patchwork-Familien, Alleinerziehende und Singles stehen vor besonderen Herausforderungen, die durch den Wegfall gewohnter Strukturen oft zu Überforderung und psychischer Belastung führen, mit wachsendem Bedarf an psychologischer Unterstützung.
Die Teilnehmer bedauerten, dass Familien oft lediglich auf einer organisatorischen Ebene funktionieren, während emotionale Zuwendung, liebevoller Austausch und gegenseitiger Dienst zunehmend verloren gehen. Statt einer Trennung in „Du und Ich“ wurde der Wunsch geäußert, das „Wir“ in den Mittelpunkt zu stellen – als Fundament für eine gedeihliche Partnerschaft. In persönlichen Reflexionen wurde deutlich, wie z.B. einmal am Tag zusammenzusitzen, gemeinsam zu beten, miteinander zu essen und ein liebevoller Dienst am Gegenüber zum Zusammenhalt in Ehe und Familie beitragen.
Die Fragen aus Kapitel 4 wurden als besonders wertvoll für Partnerschaften, Familien, Gemeinden und Ortsgruppen empfunden. Die Teilnehmer wurden daher ermutigt, sich diesen Fragen in verschiedenen Konstellationen zuzuwenden.
Im weiteren Verlauf – ab Kapitel 5 bis Kapitel 9 – wurde intensiv über zentrale Aussagen beraten. Die Botschaft spricht etwa von „einem neuen Verständnis von Ehe“, was tiefgreifende, möglicherweise auch umwälzende Konsequenzen nach sich zieht. Besonders betont wird die geistige Verbindung der Ehepartner, die der Eheschließung vorausgehen sollte. Nicht soziale, finanzielle oder weltliche Aspekte sollen im Vordergrund stehen, sondern „die gegenseitige Zuneigung mit Kopf und Herz als Grundlage der Vervollkommnung ihres geistigen Lebens“. Dies geht sogar über eine Liebesheirat hinaus, denn das UHG schreibt, dass Ehepartner „wie eine einzige Seele“ sein mögen. Sie sollen einander stützen, was eine aufeinander bezogene Haltung erfordert und rein individualistische Selbstverwirklichung ausschließt. „Dienst“ bedeutet hier nicht Unterordnung, sondern gegenseitige Ermutigung zur Entwicklung der „angeborenen, gottgegebenen Potenziale“ zum Wohl der Gesellschaft. Wie wichtig ist es doch, einen guten Freund zu finden, mit dem man gemeinsam wirken kann! Wenn Kinder dies erleben, wenn eine Familie sich diesem Ideal verpflichtet fühlt und versucht, es zu verwirklichen, dann entfaltet sie eine Wirkkraft, die weit über das Private hinausreicht; besonders, wenn gemeinsame Projekte zum Dienst an der Gemeinschaft entstehen. „Die Beziehung, die das Paar mit der Eheschließung beginnt, wird sich über Raum und Zeit hinweg auf das Schmieden zahlloser neuer Beziehungen zwischen anderen Menschen auswirken, die ihrerseits wiederum Leben und Gemeinschaften auf konstruktive Weise umgestalten können.“ Einige Beispiele aus der Bahai-Gemeinde wurden genannt, wie z. B. die einer Bahai-Freundin, die ein Unternehmen zur Fürsorge älterer Menschen gründete, was nur möglich war, weil die ganze Familie sie unterstützt. Auch während der Nationaltagung wurden den Abgeordneten ermutigende Beispiele aus Potsdam, Essen und Süddeutschland vorgestellt.
Kapitel 7 widmete sich der Frage, wie freizügige oder rückwärtsgewandte gesellschaftliche Strömungen zu inneren Spannungen in Bahá’í-Ehen führen können, denn auch Bahá’í-Gemeinden sind nicht frei von Einflüssen gesellschaftlicher Widersprüche, die ein kohärentes Handeln erschweren. So wurde einerseits auf die Verwirrungen hingewiesen, die eine Umgebung voll sexualisierter Reize, einer Vielzahl von Genderdefinitionen und der Überbetonung individueller Selbstverwirklichung bieten. Andererseits wurde auf gegenläufige Strömungen verwiesen, etwa auf das Aufkommen der sogenannten „Tradwives“, die sich an überholten Rollenbildern der 1950er-Jahre orientieren. Diese Bewegung wird durch das Erstarken konservativer Parteien begünstigt und stellt eine Reaktion auf die Emanzipationserfolge der letzten Jahrzehnte dar.
Als Orientierungshilfe dient hier das Festhalten an den Lehren des Glaubens – insbesondere an einer gelebten Andachtskultur in der Ehe. Im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Rückschritt bei der Gleichstellung wurde auf Abdu’l-Bahás Vision verwiesen, dass „Frauen an den Angelegenheiten der Welt in vollem Umfang und gleichberechtigt mitwirken werden“ – ein Ziel, das wir motiviert anstreben dürfen und für dessen Erreichen noch einiges zu tun ist – insbesondere im Hinblick auf die aktuell rückläufigen gesellschaftlichen Entwicklungen.
Es wurde auch angesprochen, dass Männer ihre Frauen aktiv auf dem Weg zur Gleichberechtigung unterstützen sollen, während gleichzeitig die Rolle der Frau als erste Erzieherin des Kindes hervorgehoben wird. Teilnehmer berichteten von Erfahrungen, wonach Frauen durch Institutionen des Glaubens dabei unterstützt werden, sich in den ersten drei Lebensjahren verstärkt der Erziehung zu widmen. Die Spannungen zwischen den damit verbundenen Anforderungen wurden als komplex erkannt. Doch gibt es auch in der Gesellschaft lobenswerte Bestrebungen, hierzu Hilfestellung zu geben. So wurde zB das Dormagener Modell genannt – ein Projekt, das Eltern schon in der frühkindlichen Phase begleitet und für jedes Neugeborene ein umfassendes Konzept zur Unterstützung der jungen Eltern bietet. Einig war man sich darin, dass Lösungen durch Beratungsformate gefunden werden können, die die Belange aller Familienmitglieder berücksichtigen. Und mitunter hilft es, auch einmal auf die Unterstützung von Nachbarschaften zurückgreifen zu können, was als gegenseitige Hilfestellung von Eltern für Eltern auch die in Deutschland zunehmende Entfremdung innerhalb der nächsten örtlichen Umgebung auflöst.
Besonders wertvoll war die Erkenntnis, dass weniger die Geschlechterfrage im Vordergrund steht– denn die Seele kennt kein Geschlecht. Vielmehr wurde betont, wie wichtig unterstützende Strukturen aus Familie, Freundeskreis und Nachbarschaften sind. Pädagoginnen und Pädagogen unterstreichen die Bedeutung von Geborgenheit für die Entwicklung stabiler Persönlichkeiten – unabhängig davon, von wem diese vermittelt wird. So wurde auf den Vorteil temporärer Abwesenheit der Mutter nach der Stillzeit hingewiesen, sodass Väter die Möglichkeit erhalten, sich ihren Kindern eigenverantwortlich liebevoll und mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Kapitel 8 verweist darauf, dass jedes Familienmitglied Rechte und Pflichten hat – ohne diese starr zuzuweisen. In Kapitel 9 wird betont, dass kein Ehepartner dem anderen untergeordnet ist. Zwar werden die Vorrechte der Mutter als erste Erzieherin anerkannt, gleichzeitig wird aber betont, dass auch der Vater in diese Aufgabe einbezogen ist. Diese Pflicht als gemeinsames Recht zu begreifen, birgt die Grundlage echter Gleichberechtigung. Da keine Rolle endgültig festgelegt ist, können Aufgaben flexibel und im Einvernehmen geregelt werden – je nach persönlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Wenn beide Ehepartner den geistigen, intellektuellen und beruflichen Fortschritt des jeweils anderen fördern, wird dieser Verpflichtung entsprochen. Der letzte Satz in Kapitel 9 wurde von den Teilnehmenden als Hinweis auf die zunehmende Relevanz des beruflichen Fortschritts der Frau verstanden – mit dem Ziel, ihre Rolle als Friedensstifterin in Familie, Beruf und Gesellschaft zu stärken.
Im gegenseitigen Austausch wurden vielfältige persönliche Perspektiven und Erfahrungen geteilt, was der Veranstaltung besondere Tiefe verlieh. Gesellschaftliche Initiativen, die an dem gleichen Thema arbeiten, wurden genannt. Es lohnt sich, vor Ort Ausschau zu halten und zusammen zu lernen. Zum Abschluss wünschten sich die Teilnehmenden – Frauen wie Männer, die gemeinsam mehr auf das Menschenbild als auf das Geschlecht sahen – einen weiteren Vertiefungstermin zur Botschaft vom 19.03.2025, um die restlichen Kapitel gemeinsam zu besprechen.
Der Vorstand bietet diese Folgeveranstaltung zur Vertiefung in die Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit vom 19.03.25 an am Dienstag, 17.06.2025 – diesmal um 20.00 Uhr, um Eltern kleiner Kinder die Möglichkeit zu geben, diese vorher ins Bett zu bringen.
Darüber hinaus möchten wir noch auf eine weitere Vertiefung aufmerksam machen, die wir für den 24.06.25 um 19.30 Uhr geplant haben:
